Barbara

Heute brachte ich zwei schöne bunte Steine vom portugiesischen Strand zu "meiner" Buche und legte sie zwischen ihre markanten Wurzeln. Dann schnitt ich mir Barbara-Zweige von dem wilden Kirschbaum, mit dem ich mich diesen Sommer angefreundet habe.
Ich weiß, daß der Barbara-Tag am 4.12. ist. Aber da war ich in der Klinik, gestern und vorgestern auch. Also ist für mich heute Barbara-Tag.
Diesen schönen Brauch, Zweige zu schneiden, die dann um die Wintersonnenwende herum in der warmen Wohnung blühen, habe ich als Kind von meiner Mutter kennen gelernt.
Die Katholiken kennen Barbara als Märtyrerin, die für ihren christlichen Glauben gequält, in einen Turm gesperrt und schließlich getötet wurde. Also die übliche Geschichte der meisten Heiligen. Siegrun Laurent hat uns bei Alma mater erzählt, daß diese Legenden in einem Kloster irgendwo in Süddeutschland erfunden wurden, um die in der Bevölkerung des frühen Mittelalters so beliebten Ahnfrauen christlich umzudeuten.
Immer nach dem Muster: Bekehrung zum christlichen Glauben, dafür verfolgt werden und leiden, schließlich unter entsetzlichen Qualen sterben und dann heilig gesprochen werden.
Was ist die Moral von der Geschichte? Leiden ist gut.
Wie tief haben wir alle das verinnerlicht: kennt nicht jede, wenigstens ansatzweise, daß sie ihr eigenes Dasein oder Handeln dadurch aufzuwerten wähnt, daß sie sich selbst und anderen erzählt, wie schwer sie es gehabt hat, welche Opfer sie gebracht hat, wie übel ihr die anderen mitgespielt hätten?! Es sind mächtige Felder, die durch diese immer wiederholten Geschichten und Glaubenssätze aufgebaut worden sind, durch unser Tun aufrechterhalten werden und auf uns einwirken, ohne daß wir es wahrnehmen. Und die De-Konditionierung braucht Zeit, Klarheit und Freundlichkeit gegenüber sich selbst.
Ich selbst bin gerade damit beschäftigt, meinem Anstrengungsmuster auf die Spur zu kommen, das in die gleiche Schublade fällt. Das Sich-Anstrengen, viel und schwer arbeiten und darauf auch irgendwie noch stolz zu sein ist bei mir so eingefleischt, daß es mir gar nicht mehr auffällt. Meine tauben Hände haben mich auf diese Spur gebracht, und jetzt frage ich mich jeden Tag: ist es wirklich not-wendig, daß ich dies und das noch tue?
Dank meiner Osteopathin und Portugal sind meine Hände nicht mehr taub.

Noch mal zu Barbara: sie gehörte ursprünglich zu den drei Frauen, die in unserer Kultur unter Begriffen wie die drei Beten und die drei Matronen bekannt geworden sind.
Für die afrikanischen Sklaven in den Amerikas war Barbara das Synonym für die westafrikanischen Wettergöttin Oya. Der Turm, ihr Attribut, erinnert an die germanische Seherin Weleda, die in einem Turm gewohnt haben soll, ebenso an Rapunzel, die in einem Turm von einer weisen alten Frau in die Geheimnisse des Lebens eingeweiht wurde.
Marie-Luise - 7. Dez, 22:05