Mittwoch, 5. Oktober 2011

Frauen-Kongress

HTuNG-2011-014
Drei Tage Frauen-Kongress auf Gut Hübental zwischen Göttingen und Kassel:
Es war so ganz anders als die Frauenveranstaltungen, die ich in den letzen Jahren erlebt habe. Und auch wieder nicht, denn auch hier ging es um eine neue Kultur, die von Frauen ins Leben gebracht wird.
Es ging viel um Körper, Heilung weiblicher Sexualität, Bejahung der Vielfalt des Lebens.
Besonders gut gefallen hat mir das Tanzfest am Sonntagabend: DJ Maja, bei der ich jeden Morgen das hawaiianische "Fliegen" lernte, sorgte mit einer ausgesuchten Tanzmusikmischung dafür, daß ich stundenlang nonstop tanzen konnte, allein und zu zweit, langsam und schnell, am Rand und in der Mitte, sinnlich, obszön, wild, schwitzend, mich meines Rockes entledigend - und so aufgeladen, daß ich den Rest der Nacht nicht schlafen konnte.
Mich beeindruckte besonders Merabakti, eine Frau aus Äthiopien, die von der in ihrer Heimat praktizierten weiblichen Beschneidung erzählte. Sie hat selbst den grausamen Verstümmelungsritus erlitten und plädierte eindringlich dafür, daß erst dann Veränderung möglich ist, wenn Frauen aus dem Opferbewußtsein heraustreten. Spannend auch ihre Analogie: überall da in Afrika, der Wiege der Menschheit, wo Frauen besonders brutal entwertet, vergewaltigt und verstümmelt werden, finden die katastrophalsten Dürren und Hungersnöte statt. Sie war absolut überzeugend mit ihrer Sanftheit und Unaufgeregtheit.
Grit Scholz hat unzählige Vulven in Nahaufnahme fotografiert, um Frauen die Vielfalt ihrer Geschlechtsorgane vor Augen zu führen. Ihr Fotoband heißt Das Tor des Lebens. Es ist ja in unserer Kultur nicht üblich, sich unter Freundinnen dieses verborgene Organ zu zeigen und darüber zu sprechen. Für viele Mädchen ist es schockierend, in der Pubertät zu entdecken, was da zwischen ihren Beinen passiert. Die entwickelte Vulva sieht ja so wild, so unzivilisiert aus, daß eine erstmal denkt, das könne nicht normal sein. (Dazu fällt mir ein, daß ich als junges Mädchen einen Freund hatte, der ganz lässig sagte, das weibliche Geschlechtsorgan sähe aus wie eine verfaulte Kartoffel. Er war nicht lange mein Liebhaber - Göttin sei Dank! Aber ich war damals weit entfernt von meinem heutigen Selbstbewußtsein, und seine Bemerkung setzte mir sehr zu.) Grit Scholz berichtete auch von den Podiumsdiskussionen, die sie mit sogenannten Schönheitschirurgen hatte, die Frauen die inneren Venuslippen abschneiden, damit sie wieder wie kleine Mädchen aussehen. Das ist ja mittlerweile ein erschreckender Trend: eine westliche Form von Beschneidung, hinter der der Gedanke steht, daß Mutter Natur nachgebessert werden muß.
Mayonah Bliss, eine der Initiatorinnen des Kongresses, hielt einen Vortrag über den Heilungsweg ihrer eigenen Weiblichkeit. Sie erweiterte eine schöne Vorstellung, die ich meiner ehemaligen Tanz-Lehrerin Brunhild verdanke: daß der weibliche Schoßraum (schönes Wort) ein Abbild des großen kosmischen Schoßraums, des Universums ist.
Mächtig ans Herz ging das Männerverehrungsritual, an dem ich das Glück hatte teilnehmen zu können: es fand mit zwanzig Männern und dreiundzwanzig Frauen statt. Für mich war es wie ein bewußtes Niederlegen der Waffen.
Männer waren immer wieder Thema. Zu meiner Freude fanden sich viele Frauen, die Frieden mit Männern wünschen und sich bewußt sind, daß sie ganz wesentlich an der Gestaltung der Beziehungen beteiligt sind. Auch fand ich zu meiner Erleichterung ein wachsendes Bewußtsein dafür, daß wir Frauen eben nicht die Besseren sind, daß es gar nicht um Bessersein geht, sondern um gemeinsames Gestalten und daß die Evolution gute Gründe gehabt haben muss, dem anfänglich allein existierenden Weiblichen das Männliche hinzuzufügen.
Ja, das Patriarchat war schrecklich für uns Frauen, kein Zweifel, aber jetzt hat eine neue Zeit angefangen und aus dem Kompost des Alten wachsen neue Pflanzen.
Inmitten des vollen Programms fand sich auch noch die Zeit, mit interessanten Frauen zu reden, das gute Essen zu genießen, köstlichen Kuchen im Teezelt zu essen und sich über das warme Spätsommerwetter zu freuen.
Gefüllt mit neuen Inspirationen bin ich Montag nach Hause gekommen.
HTuNG-2011-019

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