Zaunreiterin

Heute traf ich Ida in der Stadt und wir gingen Kaffee trinken. Sie freut sich über ein paar freie Tage ohne Ehemann, der auf Reisen ist. Wir erzählten uns gegenseitig zum hundertsten Mal, wie wichtig es für uns ist, diese Zeiten des Alleinseins zu haben. Das hat nichts mit der Qualität ihrer Ehe zu tun. Ich vermute sogar, daß ihre Ehe so lange schon recht gut zu sein scheint, weil beide sich diese Zeiten zugestehen.
Ich habe diese Zeiten seit der Trennung in Hülle und Fülle und genieße sie als großen Luxus. Ute wies mich übrigens darauf hin, daß es richtiger heißen müßte: ich bin ohne Menschen. Denn ich bin nie allein: bei meinen Gängen in Wald und freier Natur habe ich immer Begegnungen, mit Tieren, Pflanzen, dem Wind und den Wesenheiten der nicht-sichtbaren Felder. Die sind kaum möglich, wenn ich in menschlicher Gesellschaft bin.
Ich bin die Frau, die dieses Ohne-Menschen-Sein lebensnotwendig braucht, und ich bin die Frau, die gern mit interessanten und lebendigen Menschen ihre Zeit teilt. Oft scheint es, daß es unmöglich ist, diese beiden Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen.
Mittlerweile weiß ich, daß ich schon als Kind eine Grenzgängerin gewesen bin. Unsere Kultur hat wenig Akzeptanz für diese Lebensform.
Aber es muss mal anders gewesen sein. Das zeigt die Bezeichnung Zaunreiterin oder Hagezusse für eine, die in beide Richtungen schaut: in die Richtung des Hauses und der menschlichen Gemeinschaft und in die Richtung des wilden Waldes mit seinen sichtbaren und unsichtbaren Wesenheiten.
Wenn ich mich jetzt allerdings als Hagezusse in den Hag/den Knick an meiner Gartengrenze setze, sehe ich in meinem Garten mehr Wildnis als außerhalb im fleißig gespritzten Rapsfeld. Die Zeiten haben sich also mächtig geändert.
Eine andere Grenze zwischen alltäglichem und magischen Bereich war der Brunnen. Deshalb ist auch "Frau Holle" eins meiner Lieblingsmärchen. In MeckPom habe ich diesen Brunnen gefunden:

Marie-Luise - 1. Jun, 22:59