Abschiede

Eine meine Nachbarinnen zieht mit ihrem Sohn nach Ostholstein und hat heute nachmittag ihren Abschied gefeiert: es gab gutes Essen, ein schönes Lagerfeuer, und ich lernte einige Leute aus Lammershagen und den Nachbardörfern kennen. Wieder erlebte ich Offenheit und Interesse. Ja, ich fühle mich hier zu Hause.
Schade, daß R. weg geht.
Eine meiner Freundinnen erlebt gerade eine schmerzhafte Trennung. Ich spüre, wie wichtig es ist, in einer solchen Situation nicht ganz allein zu sein. Und sehe einmal mehr, daß wir in einer Zeit der Auflösung leben. KeineR weiß, wohin das führt, welche Formen des Zusammenlebens, der Gemeinschaft sich entwickeln werden. Mit Ute bin ich einig, daß heutige Beziehungen in der Regel zu beiderseitigen Beschneidungen führen, und damit versandet der einst freie Fluss zwischen und in Menschen. Sie sagt auch, daß wir keine Entwicklungsschritte überspringen können. So scheint mir der jetzt angesagte Schritt, die stattfindenden Auflösungen zu akzeptieren und sich offen zu halten für das, was neu entstehen will. Immer wieder habe ich dazu das Bild von der Raupe im Kokon und den "wissenden" Imago-Zellen. Alles Neue entsteht im Dunkeln, in der Dimension, die wir nicht beherrschen, kontrollieren, steuern, planen können. Vielleicht können wir es träumen, vielleicht träumt das Neue sich selbst.
Ich habe zur Zeit soviel zu tun, so wenig Zeit für mich selbst, daß ich zeitweise schon ganz gereizt bin. Mich ermüden die spätabendlichen Telefonate wegen des Godentreffens, und wenn dann eine Freundin noch ausgiebig mit mir plaudern will, bin ich ganz genervt. Jeden Tag entscheide ich aufs Neue, wem oder was ich meine Zeit widmen will. Heute entschied ich mich nach der Arbeit für einen Mittagsschlaf statt für Gartenarbeit.
Ich habe seit einigen Wochen ein dickes und schmerzendes linkes Knie und bin letzte Woche bei einem anthroposophischen Arzt gewesen, von dem ich nur Gutes gehört habe. Er sagte, daß die Gelenke irgendwann sauer werden und nicht mehr alles mitmachen, was eine ihnen zumutet. Nun möchte ich ja gern weitermachen wie bisher: stolz auf meinen kräftigen leistungsfähigen Körper alle Arbeiten in Haus und Garten machen, die so anfallen und eher auf Schlaf verzichten als auf Aktivitäten, die ich für wichtig halte.
Aber ich ahne, daß es darum geht, ein neues Gleichgewicht, ein anderes Maß zu finden.
Marie-Luise - 10. Okt, 22:21