Montag, 7. Juni 2010

Kalle, das Kaninchen

Walpurgis-2010-084
Auf dem Bild seht ihr Kalle, das Kaninchen, ganz gemütlich in meinem Kräuterbeet liegen, das ich mit viel Mühe und jungen Pflanzen angelegt habe. Kalle besucht meinen Garten regelmäßig und scheint sich hier wohl zu fühlen. Die Mutter des Jungen, zu dem er gehört, sagte mir, daß Kalles Freiheitsdrang so groß ist, daß er keinen Käfig toleriert und immer wieder ausbüxt. Er hat bis jetzt sowohl den strengen Winter wie auch die Dorfhunde überlebt.
Kalle lässt sich von mir streicheln und tut auch sonst so, als wäre er hier zu Hause: er hat nämlich meinen blühenden Thymian und den neu gepflanzten Ysop mit seinen Nagezähnen rasiert, zwei Kamillenpflanzen ausgegraben, sich auf eines der zarten Bilsenkräuter gelegt (was dieses nicht überlebt hat) und gelegentlich buddelt er Löcher, besonders gern da, wo ich gerade gehackt habe.
Als er sich dann gestern abend vor meinen Augen mal wieder genüsslich in meinem Kräuterbeet räkelte und begann, die Wurzeln des Heilziests freizulegen, hatte ich eine ganze Palette sehr böser Gefühle ihm gegenüber.
Jahrelang habe ich mit Schmerzen zugesehen, wie die Schnecken meine Pflanzen weggeraspelt haben. Ich wollte sie nicht töten, also schaffte ich mir Laufenten an. Da hatte ich keine Schnecken mehr, dafür andere Probleme, weil Laufenten halbwegs artgerecht zu halten ist genauso aufwendig wie jeden Tag Schnecken von den Beeten zu sammeln und weg zu tragen.
Jetzt ist Kalle meine neue Herausforderung. Und ich wage noch gar nicht daran zu denken, daß auch das Damwild vielleicht irgendwann mal die Leckereien in meinem Garten entdeckt.
Ich gehe in mich: ich rede hier von "meinem" Garten. Aber möglicherweile sehen auch Kalle, die Schnecken, die Schwalben, die Hummeln und Hornissen und was hier sonst noch so kreucht und fleucht diesen Flecken Land als ihren Garten. Und ob der Thymian in meiner Linsensuppe oder im Kaninchenmagen landet, ist ihm wahrscheinlich egal. Es widerstrebt mir, Zäune aufzustellen und harte Maßnahmen gegen die sogenannten Fressfeinde (was für ein perverses Wort) zu ergreifen. Beginne ich nicht gerade zu begreifen, daß wir Westmenschen alle verseucht sind vom Virus des Mangel-Denkens? Ist nicht unser kapitalistisches System, das verheerendste aller Wirtschaftssysteme, auf der Ideologie des Mangels aufgebaut? Haben wir nicht schon mit der Muttermilch aufgesogen, daß es nicht genug für alle gibt? Und weiß ich nicht, daß das eine große verdammte Lüge ist, weil in Wirklichkeit die Erde genug für alle Wesen bereit hält!
Und weil ich das weiß, will ich lernen, damit umzugehen, daß Kalle Spaß am Thymian und Heilziest hat und die Schnecken vom Bilsenkraut gekostet haben.
Denn außer mir fühlen sich hier noch einige andere Wesen sehr zu Hause. Wer sollte das besser verstehen als ich?

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