Sonntag, 28. Februar 2010

Frau Käßmann

Winter-2009-2010-063
Hallo Sabine,
natürlich ist das Autofahren mit besoffenem Kopf kein Kavaliersdelikt. Für dich mag der Rücktritt eine Selbstverständlichkeit sein. Für mich ist erst mal gar nichts selbstverständlich. Was meinen Respekt hervorruft, ist die Art und Weise, wie Margot Käßmann mit ihrem Fehlverhalten umgegangen ist: offen, ehrlich und aufrecht. Und da zeig mir mal einen einzigen Politiker, der das in den letzten - sagen wir mal - hundert Jahren gemacht hat.
Was Frau Käßmann sonst ist, Moralapostelin oder nicht, oder ob mir der Verein, für den sie arbeitet, gefällt oder nicht und ob sie abgesägt worden wäre oder nicht, spielt in dieser Angelegenheit für mich gar keine Rolle.
Wie gehen denn die Kinderficker von der katholischen Kirche mit ihrem Fehlverhalten um? Was ist denn da selbstverständlich?
Oder wie ist Herr Althaus damit umgegangen, daß er wegen seines Fehlverhaltens auf der Skipiste den Tod einer Frau verursacht hat? Wo ist da die Selbstverständlichkeit, die du reklamierst?
Grundsätzlich interessiert mich, wie wir Menschen mit den Fehlern umgehen, die wir ja im Laufe unseres Lebens alle machen: Verhalten, mit denen wir uns und/oder anderen geschadet haben, Verhalten, das wir bedauern, mit dem wir etwas unwiderruflich zerstört haben usw. Ich behaupte einfach: jedeR von uns hat solche Leichen im Keller. Glaub- und vertrauenswürdig sind für mich die, die damit aufrichtig umgehen, die nichts unter den Teppich kehren, aber auch nicht drunter herkriechen. Andernfalls braucht es, glaube ich, noch viel mehr Alkohol als Frau Käßmann getrunken hat, um die Leichen im Keller zu halten.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß es für meine Psychohygiene wichtig ist, daß ich mein eigenes Fehlverhalten wenigstens einer Person gegenüber ausdrücke und wenn möglich wieder gut mache. Versteh mich recht: nicht im Sinne von "mea culpa, ich bin ein schlechter Mensch und gehöre jetzt ordentlich bestraft", sondern im Sinne von Verantwortung für mein eigenes Handeln übernehmen und Bereitschaft zu lernen. Mit geradem Rückgrat also.
Diese Art von Ehrlichkeit halte ich übrigens für einen Akt von Selbstliebe. So, genug gepredigt, amen!

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