Samstag, 1. Juli 2017

Permakultur

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Immer wenn ich mich in den letzten Monaten an die schriftliche Ausarbeitung der zehn für die Permakultur-Akkreditierung erforderlichen Projekte setzte, machte sich akute Unlust bei mir breit. Das genaue Ausmessen des Gartens, die Planung für die nächsten Jahre, das hatte etwas Konstruiertes. Ich sitze oft einfach nur rum und schaue in die Landschaft, und dann kommen mir Ideen für die Gartengestaltung. Meine Gestaltungsweise ist wohl eher intuitiv, und natürlich schöpfe ich mittlerweile auch aus dem Fundus an Wissen, das die Permakulturausbildung mir geschenkt hat.
Jedenfalls habe ich vor einigen Wochen entschieden, keine vielseitige Arbeit abzuliefern und auf die Akkreditierung zu verzichten. Ich habe ja nicht vor, für andere Leute Designs anzufertigen.
Diese Entscheidung teilte ich heute den anderen Permis und unserem Lehrer mit. Jetzt bin ich frei, habe wieder mehr Zeit. Mit E., unserem Lehrer werde ich auf jeden Fall in Kontakt bleiben, vielleicht gibt es ein gemeinsames Projekt. Ich finde es auch schön, ab und zu nach Hamburg zu kommen.
Hier gab es zwei Tage Dauerregen. Das drückt auf die Stimmung.
Heute Morgen tanzte ein junger sehr zierlicher Mann mit stummen Mundbewegungen, vermutlich ein Rapper, auf dem Hof der Viktoria-Kaserne in Hamburg-Altona (hier befindet sich auch der Permakultur-Campus) vor der Kamera eines anderen jungen Mannes. Das sah sehr schön aus. Ich sah ihm eine Weile zu und suchte dann einen Parkplatz für mein Auto. Als ich zurückkam, wollte ich ihm sagen, daß mir seine Vorführung gefallen hatte. Aber er unterhielt sich mit dem Kameramann in einer mir unbekannten Sprache, vielleicht Arabisch, und ich sage nichts.
Nachmittags wurden auf dem Hof riesige Transparente gegen den G20-Gipfel bemalt. Ich habe Sympathie mit den Demonstranten, werde aber selbst zu Hause bleiben und mich "um die Bienen kümmern." Das ist ja, wie vor einiger Zeit beschrieben, das Motto einer der letzten Oyas zum Umgang mit dem Weltgeschehen.
Wieder zu Hause ging ich dann zu den Bienen, die ganz friedlich in der endlich wieder scheinenden Abendsonne flogen und leise summten. Für mich heißt "kümmere dich um die Bienen" vor allem, ihnen zuzusehen, bei ihnen zu sein, nichts tun. Es spricht einiges dafür, daß ein wesentlicher Faktor für die schlechte Situation der Honigbienen die ständigen imkerlichen Eingriffe sind.
Was ich tun kann: ihnen so viele Blüten wie möglich anbieten, mich dafür einsetzen, daß es wieder blüht auf den Feldern und an den Wegrainen.
Gestern hatte ich eine Osteopathiesitzung und geriet in diesen besonderen Zustand, in dem ich nicht schlief und nicht wach war, nicht dachte, nicht träumte, sondern in irgendein formloses Zwischenreich driftete. Meine Osteopathin sagte, das sei der Zustand, in dem der Körper die Heilung übernimmt. Kein bewusstes Eingreifen, keine Kontrolle durch den Geist. Osteopathie gibt dem Körper Anregungen, der entscheidet dann, was er damit machen will. Das ist Selbstregulation. Deshalb machen auch wöchentliche Behandlungen keinen Sinn, sind möglicherweise sogar kontraproduktiv.
Das habe ich so oft auf unterschiedliche Weise in meinem Leben erlebt: entscheidende Veränderungen auf allen Ebenen geschehen dann, wenn ich jeglichen Versuch der Kontrolle aufgebe.
So ist es auch mit den Bienen: die varroatoleranten Bienen, die auf Gotland, bei Avignon und im Arnot Forest in den USA leben, haben ungestört von Menschen ihren eigenen Umgang mit der Milbe gefunden. Sobald aber Forscher diese Bienen als Ausgangsmaterial für die Züchtung von varroatoleranten Bienen nahmen, ging deren Fähigkeit verloren.
Vielleicht müsste der Satz heißen: Geh nach Hause und lerne von den Bienen.
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Samstag, 24. Juni 2017

Mittsommer

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Eigentlich hätte ich dieses Wochenende Dienst. Und eigentlich war für heute ein Fest mit den Geflüchteten in Selent geplant, zu dem ich nach dem Frühdienst gehen wollte. Das wäre dann mein Mittsommerfest geworden, und ich freute mich darauf. Dann wurde es verschoben, weil es auf dem letzten Tag vom Ramadan lag und deshalb viele der Teilnehmer*innen beim Essen und Trinken nur hätten zuschauen können. Gut, dachte ich, dann fahre ich zu Option zwei, dem großen Feuer, mit dem die Ziegel am Schmoeler Hexenstein gebrannt werden sollen. Ich bin diesem Projekt seit einigen Jahren fern geblieben: es hat sich einfach so ergeben, weil ich zu keinem der Vorbereitungstermine kommen konnte und die Verbindung immer schwächer geworden ist. Aber auf das tagelange Feuer war ich schon etwas neugierig.
Als ich am letzten Wochenende aus Hamburg kam, hatte ich Halsschmerzen. Am Mittwoch kamen starker Husten und Schnupfen dazu. Der Husten nervte mich besonders, da ich über ein halbes Jahr lang unter trockenem Husten gelitten hatte, der gerade erst dank konsequenter Anwendung von Spitzwegerichtee verschwunden war. Da mir außerdem heiß und kalt war, beschloss ich, mich krankschreiben zu lassen. Die freundliche Ärztin war besorgt wegen meines Dauerhustens und empfahl mir versuchsweise ein Cortison-Spray; es könne sich ja um was Allergisches handeln. Ich wollte nicht mit ihr über meine Einstellung zu Cortison argumentieren, und sie war respektvoll genug, mich nicht zu nötigen. Ich denke, sie macht ihren Job nach bestem Wissen und Gewissen und überlässt mir die Entscheidung. So soll es doch auch sein. Die wirklich empfehlenswerte Apotheke in Selent hatte unerwarteterweise Isländisch Moos, aus dem ich mir zusammen mit selbstgesammeltem Huflattich einen Hustentee machte, der es wirklich bringt. Und er ist so schön bitter, daß sich mein Immunsystem freut.
In den letzten beiden Nächten habe ich mehr als neun Stunden tief und fest und ohne Husten geschlafen. Super!
Mein persönliches Mittsommerfest bestand darin, daß ich mir heute alles genehmigte, worauf ich Lust hatte: ich backte einen schönen Kuchen aus dem letzten Rhabarber in diesem Jahr, von dem ich einen Teil in der Nachbarschaft verschenkte. Ich finde nämlich, daß gerade jetzt die Natur so mit vollen Händen schenkt, daß ich das einfach auch tun kann.
Da es fast den ganzen Tag reichlich geregnet hat - gut so, da die Erde knochentrocken war - habe ich gemütlich im Holzschuppen Kaffee getrunken und den gerade flügge gewordenen Rauchschwalben bei ihren Flugübungen zugesehen. Später habe ich stundenlang in dem schönen Buch The Language of Ma - the Primal Mother von Annine van der Meer geschmökert und Kuchen gegessen. Abends habe ich dann noch ein wenig getrommelt.

Eins der neuen Modeworte heißt Narrativ. Ich finde es ein bisschen affig, man kann ja auch einfach Geschichte oder Erzählung sagen. Wie auch immer: heute Morgen hörte ich im Radio eine dieser mutmachenden Geschichten. Es ging um den G20-Gipfel in Hamburg, zu dem natürlich auch Tausende Gegner erwartet werden. Die wollten in einem der Parks campieren, was sie aber jetzt nicht dürfen. Es kamen einige Hamburgerinnen zu Wort, die den Gipfel-Gegnern ihren privaten Räume zur Verfügung stellen wollen. Zwei von ihnen sagten, man könne ja mit den Demonstranten nur solidarisch sein, wenn man sich anguckte, welches Ausmaß an Destruktivität der Kapitalismus entwickelt habe, der einer/einem einredet, daß Kaufen glücklich macht. Was mich daran freut? Daß immer mehr Menschen beginnen, unser System zu hinterfragen.
Mich macht Kaufen schon lange nicht mehr glücklich, wohl aber Schenken.
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Skadi hat für Kaufen gar nichts übrig

Donnerstag, 22. Juni 2017

Wölfe

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Im Radio hörte ich, daß jetzt zunehmend mehr Menschen verlangen, daß Wölfe zum Abschuss freigegeben werden, da sie soviele "Nutztiere" (was für ein blödes und auch bezeichnendes Wort!) reißen.
Ich möchte nicht, daß die Wölfe, die so lange vollständig aus Deutschland verschwunden waren, abgeschossen und ein zweites Mal ausgerottet werden. Ich habe mich sehr gefreut, als sie anfingen zurückzukehren.
Ich möchte jetzt bitte nicht falsch verstanden werden: ich kann mir schon vorstellen, welche Gefühle in dem hochkochen, der morgens auf die Weide kommt und zwanzig getötete Schafe findet. Vergleichbare Gefühle hatte ich vor Jahren, als ich in meinem ersten Garten in Münster morgens von den kleinen Buschbohnenpflanzen nur noch Stümpfe fand, weil sie eben nicht nur mein Lieblingsgemüse sondern auch das der Nacktschnecken waren. Getötet habe ich die Schnecken nie, habe es aber eine Zeitlang durch Laufenten erledigen lassen.
Aber ich hatte auch immer eine deutliche Ahnung, daß die Nacktschnecken genauso in die Landschaft gehören wie ich.
Die Wölfe gehören auch genauso in die Landschaft wie wir Menschen. Daß sie gleich zwanzig Schafe auf einmal reißen, liegt ja daran, daß die Tiere eingezäunt sind und nicht fliehen können. Und Wölfe, die in der Regel von wilden Tieren die schwachen jagen, während die anderen eine Chance haben zu entkommen, beißen eben alle tot, wenn sie sie sozusagen auf dem Silbertablett serviert bekommen.
Was mich an der Sache so massiv stört: hinter der Forderung die Wölfe zu schießen steht das alte anthropozentrische Denken: alles gehört uns, alles steht uns zu. Wir kommen an erster Stelle. Und alle Tiere, die Böden, die Pflanzen haben für uns da zu sein. Da brauchen wir uns gar nicht über Trump und sein "America first" zu echauffieren (was in Wirklichkeit wohl eher heißen soll: "Trump first and last and always"). Wir Menschen verhalten uns gewohnheitsmäßig auch so, als kämen wir an erster Stelle. Bei diesem Denken gibt es keine Gegenleistung, keinen Ausgleich. Die Ackerböden sind mittlerweile so ausgelaugt, daß auf ihnen bald gar nichts mehr wachsen kann. Die Mineralien für den Kunstdünger werden aus Afrika geholt (also den Afrikanern weggenommen). Das Wild in den Wäldern ist für die Jäger, und wenn einer wie Peter Wohlleben die kollektive Entwaffnung dieser privilegierten und in der Regel ziemlich reichen Leute fordert, die sich Jagd als Luxushobby leisten können, dann geht ein Schrei der Empörung durchs Land. Ja, entwaffnet doch die Jäger, dann haben die Wölfe was zu essen, der massive Wildverbiss in den Wäldern reguliert sich auch. Dann muss sich natürlich noch mehr ändern, nämlich die ganze Forstwirtschaft.
Nein, ich habe keine fertige Lösung für das Problem. Aber ich bin mir sicher, daß es falsch ist, alles zu töten, was vermeintliche menschliche Interessen durchkreuzt.

"Was ist der Mensch ohne die Tiere?
Wenn es keine Tiere mehr gäbe, würden die Menschen an großer Einsamkeit des Herzens sterben. Denn alles, was den Tieren geschieht, geschieht auch bald den Menschen."
(Häuptling Seattle)
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Montag, 19. Juni 2017

Erfreulich

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Samstag nahm ich am Terra preta-Seminar, Sonntag am Waldgarten-Seminar in Hamburg teil. Ich habe mittlerweile schon Routine bei den Fahrten: mit dem Auto nach Kiel, in Bahnhofsnähe parken, zu Fuß zum Bahnhof, Karte am Automaten kaufen, Süddeutsche Zeitung kaufen, Cappuccino kaufen, in den wartenden Zug steigen und entspannt nach Hamburg fahren.
Sonntagmorgen saß ich also entspannt im Zug, trank Kaffee, las die Zeitung und hörte die Zugbegleiterin kommen. Ich griff in meinen Rucksack und fand meine Fahrkarte nicht. Dann stieg es mir siedendheiß ins Bewusstsein, daß ich gar keine gekauft hatte, sondern gleich den Kaffeeladen angesteuert hatte. Was blieb mir übrig, als der Zugbegleiterin die Wahrheit zu sagen. Sie ließ sich meine Bahncard zeigen und verkaufte mir im Zug eine Karte zu dem Preis, den ich auch am Automaten bezahle. Ich hatte mich innerlich schon auf die eigentlich fälligen 60 Euro eingestellt. Ich bedankte mich, und sie sagte: "Na ja, jeder steht ab und zu mal neben sich." Man kann ja viel Schlechtes über die Deutsche Bahn sagen, aber das Zugpersonal ist in aller Regel ziemlich gut. Ich bin mir nicht sicher, ob die Leute im Vorstand das wissen.
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Bienen im Permakultur-Garten im Hamburger Volkspark

Donnerstag, 15. Juni 2017

Schlaflos

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Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen, d. h. erst schlief ich ein, dann wachte ich wieder auf und lag wach. Das war nicht so verwunderlich, da ich vor dem Zubettgehen noch zwei Folgen von The OA geschaut hatte. Das ist eine Mystery-Serie, die ich in der letzten Woche zusammen mit meinem Sohn und seiner Freundin angefangen hatte. Spannend und auch sehr rätselhaft. Als ich fertig war, las ich auch noch einen Text von Charles Eisenstein, den meine Tochter mir ans Herz gelegt hatte. Zu Recht: Charles Eisenstein ist ein US-amerikanischer Philosoph, der ein Buch mit dem schönen Titel Die bessere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich geschrieben hat. Ich habe es noch nicht gelesen, wohl aber einen anderen sehr schönen Text von ihm in einer der letzten Oyas. Was ich gestern gelesen habe, handelt von Frauenhass und der Heilung des Männlichen: https://charleseisenstein.net/short-reflection-essays/misogyny-and-the-healing-of-the-masculine/
Ich finde ihn sehr gut und sehr klug. "Die Welt ist schön", sagte meine Tochter dazu. Recht hat sie. Und das Ganze zeigt wieder mal, daß es darauf ankommt, wohin ich schaue. Immer! Ich kann mich jeden Tag - wenn ich möchte - an neuen Peinlichkeiten von Trump hochziehen (so machen das die meisten Zeitungen und es ödet mich an). Ich kann aber auch meinen Blick auf Männer mit Herz und Verstand richten wie z. B. Charles Eisenstein. Beides hat unmittelbare Auswirkungen auf meine Stimmung. Ich ziehe es vor, dem Erstgenannten so wenig Energie in Form von Aufmerksamkeit zu schenken, dafür mich über Menschen wie Letztgenannten zu freuen.
Wenn es solche Männer gibt, dann ist auch etwas Gutes zwischen Frauen und Männern möglich. Es hat in meiner Vergangenheit Zeiten gegeben, wo ich das kaum für möglich gehalten habe.
Film und Text haben mich also wachgehalten. Ich stand um 2 Uhr auf und setzte mich auf die Bank vorm Haus. Ich hörte dem Froschkonzert im Löschteich zu, ein größeres Tier schien dem Geräusch nach in meinem Garten etwas Leckeres zu essen gefunden zu haben, ein Vogel sang. Über mir zeigte sich die große Bärin. Im Südosten schaute der Mond aus Wolkenschleiern.
Eine schöne Nacht, und ich fühlte mich so wohlig eingewoben ins Große Ganze, so zu Hause in dieser Welt, so beschützt und versorgt.
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Dienstag, 13. Juni 2017

Menschen und andere Tiere

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Baumscheibe mit Puffbohnen

Neulich blieb ich beim Surfen im Netz bei den Vorschauseiten des Buches Tiere als magische Helferwesen von Luisa Francia hängen. Da schreibt sie, was ich auch glaube, nämlich daß sich bei unseren jagenden und sammelnden Urahn*innen die Tiere als Nahrung zur Verfügung gestellt haben. Und gelegentlich haben sich auch Menschen den Tieren als Nahrung zur Verfügung gestellt.
Soweit habe ich bisher nicht gedacht! Was zeigt, daß in mir auch noch die tiefe und völlig unbewusste Prägung wirkt, uns Menschen stehe etwas zu, was anderen Wesen nicht zusteht. Es geht also um Gegenseitigkeit: da auf dieser Planetin eins vom anderen lebt, stellen alle sich auf die eine oder andere Weise irgendwann als Nahrung zur Verfügung und nicht erst nach dem Tod für die Würmer.
Wie ein Zusammenleben mit anderen Tieren möglich sein kann beschäftigt mich schon sehr lange. Wohl die meisten Gärtner*innen leben mit der Herausforderung, die die Nacktschnecken bedeuten. Ich glaube, kaum ein anderes Lebenwesen erfährt in unserer Kultur so wüste Verfolgungen wie diese völlig schutzlosen Tiere. Neulich war ich auf der Homepage eines Mannes, der mit großer Hingabe einen Insektengarten geschaffen hat. Die Idee fand ich ansprechend - gestalte auch ich meinen Garten immer mehr so, daß die kleinen fliegenden Wesen genug zu essen bekommen und es überall summt und brummt. Aber als ich dann seine Empfehlung las, die Nacktschnecken zu zerschneiden, war es mit der Sympathie vorbei. Ich behaupte nicht, daß ich das Schneckenproblem für mich völlig gelöst habe (bitte jetzt nicht wieder Empfehlungen, ich solle mir Laufenten zulegen!). Aber Töten kommt für mich nicht in Frage, natürlich auch nicht qualvolles Austrocknen mit Schneckenkorn. Wen es interessiert, dem kann ich dieses Buch empfehlen: Schneckenflüstern statt Schneckenkorn von Hans-Peter Posavac. Wichtig erscheint mir zu erkennen, warum denn die sogenannten spanischen Nacktschnecken (die, wie ich jetzt erfahren haben, gar nicht aus Spanien kommen, sondern hier zu Hause sind) sich so massiv ausgebreitet haben. Meine Vermutung: sie treten als Helferwesen der Erde auf, um die rasant schwindende Humusschicht wieder aufzubauen. Denn Schnecken sind nun mal genau wie Regen- und Kompostwürmer Humuserzeugerinnen ersten Ranges. Wenn das so ist, dann kann eine ihnen nur dankbar sein.
Neulich ging es im Gespräch um die Chinesen unter Mao Ze Dong, die die Spatzen ausgerottet haben, weil sie den Weizen gefressen haben. In der Folge gab es eine Insektenplage. Der ist man mit Giften entgegengetreten. Seitdem gibt es in einigen Regionen Chinas keine Bienen mehr, und die Obstbäume müssen von Hand bestäubt werden. Ein Kollege sagte: "Die spinnen ja sowieso."
Aber man muss gar nicht nach China schauen: was machen wir in Europa denn? Hier wird mit Glyphosat und sogenannten Pflanzenschutzmitteln gespritzt, so daß nicht nur Insekten vergiftet werden, sondern ihnen auch die wilden Blütenpflanzen fehlen, die es noch in der Landschaft meiner Kindheit gab. Hier haben wir Maismonokulturen für Biogasanlagen, aber keine Nahrung mehr für Bienen, Hummeln und Co. Also haben die Vögel nichts mehr zu essen. Vor sieben Jahren gab es noch sechs bewohnte Mehlschwalbennester am Haus, dieses Jahr nur noch zwei. Und im Winter hatte ich so wenige Vögel wie nie am Futterhäuschen. Wer spinnt also? (wobei spinnen eigentlich nicht das passende Wort in diesem Zusammenhang ist).
Seit ich einen Garten habe, stellt sich die Frage, wen ich mitessen lasse. Und was ich zu tun bereit bin, um das zu verhindern. Oder was ich zu tun bereit bin, um auf dem kleinen Flecken Erde, den ich bewohne, einen gedeckten Tisch für alle einzurichten.
Das Verhältnis zwischen Menschen und anderen Tieren ist schon sehr lange zutiefst gestört. Wenn ich mir die Höhlenbilder von Lascaux und Chauvet ansehe, erkenne ich, daß da mal ein Bewusstsein unserer engen Verwandtschaft war, daß Menschen andere Lebewesen als Ahnen gesehen haben. Und entwicklungsgeschichtlich sind sie soviel älter als wir.
Wenn wir also Tiere als Verbündete haben wollen, müssen wir einiges dafür tun. Tiere haben wenig Grund uns zu trauen, sie haben Schreckliches durch uns erlebt und erleben es noch. Und ich glaube, daß die Veränderung in erster Linie in uns selbst geschehen muss.
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Freitag, 2. Juni 2017

"Erwartungen...

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Bienen beim Schwärmen

...sind der Beginn von Groll." Diesen Satz von Jans zitierte I. heute, als wir zusammen auf ihrer Terrasse Tee tranken. Vorher hatten wir den Bienenschwarm, der heute Mittag durch meinen Garten gebraust war und sich schließlich friedlich im Apfelbaum aufgehängt hatte, wo ich ihn problemlos fangen konnte, in den TBH in ihrem Garten einziehen lassen.
Ich glaube, die meisten von uns kennen das: gerade in verbindlichen Beziehungen und Freundschaften tauchen Erwartungen auf, die der/die Andere dann nicht erfüllt. Ich erinnere mich an ein kleines, aber typisches Beispiel vom Beginn meiner Beziehung mit meinem späteren Ehemann. Ich hatte einen Termin in Wuppertal, und er war so freundlich, Babysitter für meine Tochter zu sein. Als ich spät abends nach Hause kam, lag er gemütlich auf meinem Bett und las irgendetwas. Die Teekanne in der Küche enthielt nur kalten Tee. Ich hatte aber erwartet, daß ich zu Hause mit frischem heißen Tee empfangen werde. Sofort kamen schlechte Gedanken: statt hier faul rumzuliegen, hätte er ruhig mal Tee kochen können. Schließlich sagte ich ihm das auch (natürlich verkniff ich mir zu sagen, daß er nicht faul rumliegen sollte). Er nahm es einigermaßen gelassen, jedenfalls ohne Schuldbewusstsein (was, wie ich mittlerweile finde, sehr für sein gesundes Selbstbewusstsein sprach).
Wenn ich von einem anderen Menschen eine Handlung/Haltung/Verhaltensweise erwarte, gehe ich immer das Risiko ein, daß meine Erwartung nicht erfüllt wird. Oft geraten Erwartungen ganz gefährlich in die Nähe von Forderungen. In jedem Fall mache ich mit Erwartungen den Raum zwischen mir und der anderen Person sehr eng und verhindere Freiwilligkeit. Freiwilligkeit ist aber in meinen Augen etwas sehr Kostbares in Beziehungen und Freundschaften. Wenn ich mich so verhalte, wie die andere Person es möchte, um keinen Stress mit ihr zu haben, ist es nichts wert.
Will ich also, daß der Andere er selbst ist, authentisch, oder will ich, daß sie es mir Recht macht?
Ich kann für mich nur sagen: ich möchte ein authentisches Gegenüber. Dann kann ich das, was von ihm und ihr kommt, als wirkliches Geschenk nehmen.
Auf keinen Fall möchte ich einen unausgesprochenen Bedürfniserfüllungsvertrag mit der anderen Person haben.
Nichts ist selbstverständlich.
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Einzug ins neue Zuhause

Donnerstag, 1. Juni 2017

Schuld

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Ich hab's eigentlich nicht so mit dem Begriff Schuld. Aber als ich meine Abschlussarbeit für Alma mater über die drei Nornen schrieb, habe ich darüber nachgedacht, ob Skuld mit dem Wort Schuld verwandt sein könnte. Ich halte es zumindest für möglich, in dem Sinne, daß unsere Taten über uns hinauswirken. Sie sind also das, womit wir unser Schicksal bzw. das anderer Wesen formen; sie können, einmal ausgeführt nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Konsequenz wäre dann ein anderes Wort.
Daß Europa die Schuld am Elend Afrikas trägt, ist ja wohl weitgehend bekannt. Aber wie das genau geschieht, ist in einem Reisebericht in der neuen Oya am Beispiel Burkina Fasos beschrieben. Dort haben die Ackerbauern nach der Ernte ihrer Feldfrüchte die Hirten mit ihren Rindern auf die Felder gelassen. Die Rinder, die bestens an die klimatischen Verhältnisse angepasst waren und nur zweimal in der Woche Wasser brauchten wie Kamele, fraßen die Reste und düngten nebenbei die Erde. Also hatten alle was davon. Dann kamen Entwicklungshelfer und gruben Brunnen. Dadurch wurde Ackerbau auch in den Trockenzeiten möglich. Die Rinder kamen nicht mehr auf die Felder und düngten sie auch nicht mehr. Durch die Brunnen sank der Grundwasserspiegel.Im Zuge der neoliberalen Wirtschaftspolitik verkaufen europäische Milchbauern Milchpulver für einen Spottpreis nach Afrika, die Nomaden bekommen für ihre Milch nicht genug Geld. Es herrscht bittere Armut und Perspektivlosigkeit. Viele junge Männer schließen sich extremen Organisationen wie etwa Boko Haram an - oder sie versuchen die Flucht nach Europa.
Ein Beispiel für die Schuld des Westens. Die blödsinnige Subventionierung der europäischen Agrarindustrie tut ihr Übriges. Die Regierungen haben kein Interesse an einer Veränderung der Situation. Was können wir also tun? Keine Milchprodukte von Großmolkereien kaufen, sondern am besten von Biobauern, die sich in kleinen Genossenschaften zusammen geschlossen haben, die keine hochgezüchteten Milchkühe halten. Und am besten natürlich dabei auch noch Bauern unterstützen, die ihren Kühen die Hörner und die Kälber lassen. Das kostet dann mehr, klar, und das ist auch absolut gerechtfertigt. Stattdessen kann man sparen, indem man nicht mehr jedes Jahr ein neues Smartphone kauft, zum Beispiel. Was den Nebeneffekt hätte, daß die Kongoregion nicht mehr ganz so massiv zerstört würde, weil man nicht mehr soviel Koltan abbauen müsste.

Ein zweites Beispiel: De Maizieres unglaubliche Behauptung, Afghanistan sei ein sicheres Herkunftsland, in das man afghanische Geflüchtete abschieben könn (Na gut, nach dem jüngsten Bombenanschlag in Kabul wurden die Abschiebungen vorerst ausgesetzt). Pro Asyl hat da übrigens eine schöne Postkarte designen lassen mit De Maiziere in schusssicherer Weste und Stahlhelm auf dem Kopf, wie er gerade aus einem in Kabul gelandeten Hubschrauber steigt: https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2016/09/PRO_ASYL_Afghanistan_Postkarte_web_Sep16.pdf
Das zum Thema "sicher".
Mit seinen Abschiebungen macht er sich schuldig.
Nebenbei gesagt: daß er den unsäglichen Begriff "deutsche Leitkultur" wieder ausgegraben hat und als eins ihrer Merkmale das Händegeben zur Begrüßung nennt, zeigt seine Weltfremdheit. Neuerdings ist es ja üblich, besonders bei Ärzten, keine Hand mehr zur Begrüßung zu geben, wegen der Infektionsgefahr. Kein Scherz!
Als junge Krankenschwester habe ich noch gelernt, mir ständig die Hände zu waschen. Das ist heute nicht mehr angesagt. Stattdessen werden plastikflaschenweise Desinfektionsmittel in Praxen und Kliniken verwendet.

Diese beiden Beispiele haben in mir Gefühle hervorgerufen, die ich schon lange nicht mehr hatte: Wut und Schmerz.
Weniger gravierend finde ich Trumps Haltung zum Klimaschutz: daß die in all den Jahren von diversen Regierungen ausgehandelten Klimaschutzziele allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein sind, ist ja nicht Neues. Heute hörte ich im Radio etwas Kluges von Michael Braungart zum Thema. Er erwartet wenig von den Politikern, ist aber optimistisch, was die jungen Leute angeht. Klimaschutz erfolgt von unten, ist sein Resümee. Viel wichtiger als irgendwelche CO²-Grenzwerte seien z. B. so essentielle Maßnahmen wie Humusaufbau in der Landwirtschaft und ein Stopp aller Palmölplantagen.
Da freue ich mich doch mal wieder über das zunehmende Interesse an Permakultur!
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