Dienstag, 10. Januar 2017

Nutzlos

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Am Sonntag hörte ich im Radio ein Interview mit Doris Dörrie: www.ndr.de/talk. Immer wenn ich auf ihren Namen stoße, muss ich daran denken, daß ich vor langer Zeit - ich war höchstens sieben und sie fünf Jahre alt) mit ihr in ihrer Wohnung gespielt habe. Zugegeben, ich habe nur eine blasse Erinnerung daran, ich weiß auch nicht, wie dieser Kontakt zustande gekommen ist. Wir sind in derselben Stadt aufgewachsen, Hannover, und haben noch eine weitere Gemeinsamkeit: es gab in unseren Elternhäusern keine Fernseher. Das erfuhr ich aus dem Interview.
Einige ihrer Äußerungen haben mir gut gefallen. Sie beschrieb ihren Vater, der Arzt war, als Handwerker. Heute arbeiten die wenigsten Ärzte mit ihren Händen (und noch weniger mit ihren übrigen Sinnen). Statt einen Menschen in seiner Gesamtheit wahrzunehmen, verlassen sie sich auf teure Maschinen.
Ich habe großen Respekt vor Handwerkern, die ihre Arbeit gut machen. Bei alten Möbeln finde ich oft Praktisches vereint mit Schönheit. In gotischen Kirchen, z. B. der schlichten Marktkirche in Hannover oder dem Straßburger Münster erkenne ich große Handwerkskunst. Gutes Handwerk ist immer auch Kunst. Die Trennung, die manche Künstler zwischen ihrer Kunst und dem Handwerk machen, kann ich nicht nachvollziehen.
Ein weiterer spannender Gedanke von Doris Dörrie: sie findet, daß wir Menschen öfter mal "nutzlos" sein sollten, d. h. ohne Zweck und ohne Ziel mal so durch den Tag dümpeln, nutzlos mit Freund*innen zusammen sein.
Wie recht sie hat! Immer muss ein Ziel erreicht werden und wenn es kein äußeres ist, dann eben die geistige oder körperliche Selbstoptimierung. Immer wird irgendwie gearbeitet. Ich habe solche Sehnsucht danach, einfach mal alles sein zu lassen: das Leben, die Welt, mich selbst, die Anderen. Das Mindeste, was ich tun kann , ist mir meine tägliche Traumzeit zu erlauben, in der ich nichts mache, außer - meistens draußen - rumzusitzen, in die Landschaft zu schauen/zu hören und kommen zu lassen, was kommen will. In einer dieser Traumzeiten ist vor einigen Jahren mal eine Ringelnatter zu mir gekommen und ganz langsam um meine Füße rumgekrochen. Ein anderes Mal hat eine Brandmaus mit einem schwarzen Aalstrich auf ihrem Rücken sich auf meine Füße gesetzt und meine Hosenbeine inspiziert. Ich kann die akrobatischen Flüge der Kolkraben bewundern und den Tanz der Seeadler am Himmel genießen. Aber selbst wenn gar nichts Spektakuläres passiert, sind diese Zeiten für mich lebensnotwendig geworden.

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