Samstag, 23. September 2017

"Caminando preguntamos"...

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...ist das Motto der indigenen Zapatisten in Chiapas/Mexico, sinngemäß übersetzt heißt das: "Gehend stellen wir Fragen" oder "Fragend schreiten wir voran". Was für ein schöner Leitspruch. Die Zapatisten setzen seit vielen Jahrzehnten der mexikanischen Zentralregierung Widerstand entgegen. Es geht, wie bei allen Urvölkern, um das Recht auf Land, auf Selbstversorgung, auf Autonomie. Vor einigen Wochen wurde ich auf eine Hamburger Iniative aufmerksam, die Kaffee von den Plantagen der Zapatisten verkauft und sie auf diese Weise unterstützt: https://www.aroma-zapatista.de/start
Die finde ich so gut, daß ich gleich ein Probierpaket mit vier Sorten Expresso bei ihnen bestellt habe und eine davon ist nach dem obigen Motto benannt. Er schmeckt übrigens sehr gut, allerdings ist er nicht so kräftig wie meine gewohnte süditalienische Expressomischung aus Arabica- und Robustabohnen, da er nur Arabica enthält.
Als vor wenigen Tagen der GEA-Katalog der Waldviertlerleute ins Haus kam, erlebte ich eine Synchronizität: Darin wird unter der Überschrift Caminando preguntamos für eine neu gegründete Genossenschaft und damit für ein neues Wirtschaftsmodell geworben, das nicht dem Geld sondern dem Leben dient.
Caminando preguntamos könnte auch mein Lebensmotto sein: meinen Weg gehe ich, seit ich gehen kann, mit Schlenkern und scheinbaren Umwegen. Wohin es geht, weiß ich nicht. Einiges erschließt sich im Gehen, einiges erst im Rückblick, einiges möglicherweise niemals. Aber es geht immer um Lebendigkeit, für mich und für alle Wesen dieser Erde. Und ich höre nie auf zu fragen: nach den Erfahrungen der Anderen, nach neuen Möglichkeiten, Fragen richte ich auch an mein Herz: was willst du, wohin willst du? Und es rät mir oft anders als diejenigen, die als vernünftig gelten.
Und damit komme ich zu etwas, was in den letzten Tagen geradezu penetrant in mein Wahrnehmungsfeld gekommen ist: der Aufruf wählen zu gehen, unbedingt und auf jeden Fall und allein schon wegen der AfD (damit die nicht an die Macht kommen).
Wahrscheinlich wiederhole ich mich, wenn ich sage, daß Wahlen nichts bringen: wer hat denn heutzutage die Macht? Wer genau hinsieht, erkennt, es sind nicht die Regierungen, sondern die großen Wirtschaftskonzerne. Die Regierungen haben offensichtlich nur noch die Funktion ihnen den Weg zu ebnen.
Und wer jetzt damit argumentiert, daß wir es im Vergleich zu den Menschen in Afrika, in Asien, in den Ländern mit Diktatoren in der Regierung doch sehr gut haben und stolz auf die Möglichkeit zum Wählen sein könnten: Ja, wir haben es vergleichsweise gut, das bestreite ich gar nicht.
Das ändert aber nichts daran, daß sehr viele, wenn nicht die meisten von uns einer Art Massenhypnose unterliegen und nicht erkennen wollen/können/dürfen, daß unser relativer Reichtum auf dem Rücken der armen Menschen in anderen Erdteilen produziert wird: auf dem Rücken der Näherinnen in Bangladesh, auf dem Rücken der Afrikaner*innen in den Blumenfabriken und Coltanminen, die ihr Leben für einen Hungerlohn aufs Spiel setzen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und ein großer Teil des Reichtums kommt durch Waffenlieferungen an kriegführende Länder zustande. Ich sehe auf dem Heimweg von der Arbeit oft die neuen U-Boote, die in den Kieler Werften hergestellt und dann nach Israel, Saudi-Arabien und sonstwohin geliefert werden. Die Kriege, z. B. der im Jemen, werden also mit Billigung unserer gewählten Regierung geführt, denn die segnet die Waffenexporte ab. Daß es egal ist, welche Partei gewählt wird, weiß man seit der Schröder-Fischer-Regierung: da haben die Grünen plötzlich für den Jugoslawienkrieg gestimmt und damit ihre ursprünglichen pazifistischen Prinzipien auf einen Schlag über den Haufen geworfen.
Oder Griechenland: die Griechen, die Alexis Tsipras wählten, hatten doch gehofft, daß nun etwas Neues passiert. Und ich bin sicher, daß Alexis Tsipras das auch vorhatte. Aber er konnte es nicht, weil es immer und immer und immer nur um Geld geht, wenn es Politik heißt. Das ist die einzige Spielregel, und wer die nicht einhält, ist weg vom Fenster.
Ich werde gerade Zeugin, wie unser viel gerühmtes Gesundheitswesen zusammenbricht. Vor zwei Tagen hat der Postbote mir in einem sehr emotionalen Ausbruch erzählt, wie bei der Post alles zusammenbricht. All das geschieht, weil alles dem Primat des Profits untergeordnet wird. Und die Regierungen spielen bei diesem üblen Spiel mit. Sie können offensichtlich gar nicht anders.
Ja, es muss sich was verändern, weil es immer schmerzhafter wird, sich anzusehen, was geschieht. Aber es sind nicht die Regierungen, die Veränderungen herbeiführen.
Übrigens: wenn ich morgen wählen gehen sollte, dann käme für mich nur eine Partei in Frage, nämlich die Partei vom Satiriker Martin Sonneborn, weil die garantiert nicht in die Regierung kommen und auch gar nicht wollen, aber dafür sehr schön die Lage auf den Punkt bringen: https://www.youtube.com/watch?v=dAhahy7oJps
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